14. September 2020
 

VDD zum FFG: Wir brauchen eine starke Kinokultur mit Leuchtturmfunktion für den Film - mit starken Geschichten und entsprechend mehr Attraktivität für Drehbuchautorinnen und -autoren

Autor: VDD

Die Filmbranche steht seit Beginn der Corona-Pandemie vor in dieser Form nicht gekannten existentiellen Herausforderungen. Die Krise zeigt erneut, auf welch wirtschaftlich schmalen Firn die Branche aufgebaut ist, wie schnell Abgründe aufreißen und wie wichtig Förderung und staatliche Unterstützungsleistungen sind, um die kulturelle Vielfalt des Kinos in Deutschland aufrechtzuerhalten und zu helfen, Umsätze auf allen Wertschöpfungsebenen auszulösen bzw. abzusichern.

Unser Dank geht daher zunächst an BKM und FFA und die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die seit Monaten gezeigte Flexibilität sowie den Einsatz dafür, die Rahmenbedingungen für die Filmbranche funktionsfähig zu halten und ergänzende Hilfsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die aktuellen und kaum vorhersagbaren weiteren pandemiebedingten Verwerfungen des Marktes das Machbare im Rahmen dieser wesentlich aufs Formale reduzierten FFG-Novelle zunächst im engen Rahmen verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Vernunft bemisst. Dass es mindestens einer Verlängerung des FFGs bedarf, um die Fördertätigkeit der FFA als solche zunächst gesetzlich abzusichern, erscheint dabei als angepeiltes Minimalziel einleuchtend.

Im Kern heißt dies aber: alles bleibt, wie es ist. Ein Neustart Kultur – wie z. B. im aktuellen Konjunkturprogramm der BKM postuliert – bleibt somit für den Filmbereich auf lange Sicht aus.

Von der Verteilung der im Neustart Kultur-Programm für den Film vorgesehenen Gelder bis hin zur aktuellen FFG-Anpassung steht als Handlungsprinzip im Vordergrund, dass die Mittelverteilung auf die bestehende Förderstruktur aufgebaut werden muss.

Die Folge ist, dass sich eine schon länger abzeichnende Misere des deutschen Kinofilms aufgrund der zeitlichen Verschiebung der bereits begonnen, auch auf die Förder- und Verteilstrukturen abzielenden umfassenden Novellierung des FFGs ohne gesetzliche Gegensteuerung weiter verfestigen und ausbreiten kann.

Die Frage, die sich hieraus ergibt, wendet sich weniger an Einzelpunkte aus dem vorliegenden Referentenentwurf, als an das Gesetzgebungsverfahren als solches. Der Veränderungsbedarf an den Förderstrukturen ist aus unserer Sicht so groß, dass eine zeitnahe Weiterführung des ursprünglich begonnen Novellierungsverfahren zwingend notwendig ist. Mit der jetzt anstehenden Verlängerung des FFG unter kleineren rechtlichen und förderpolitischen Anpassungen steht die gesetzliche Absicherung der Fördertätigkeit der FFA allein im Vordergrund. Fraglich ist, ob - natürlich in Abhängigkeit von der weiteren Pandemieentwicklung, der Stabilisierung des Marktes sowie einer neuen Regierungsbildung in 2021 – ergänzenden Bestimmungen zu einem späteren Zeitpunkt dem Gesetz hinzugefügt werden können. In jedem Fall bedarf es einer sehr zeitnahen Fortführung des ursprünglich geplanten Novellierungsverfahrens.

Denn das Motto „Alles bleibt wie es ist“ lässt sich auch existentialistisch wenden: wie es bleibt, ist es nicht. Die Corona-Krise gibt entsprechenden Einblick in die Wirklichkeit.

Die aktuelle Krise, das verzweifelte Suchen nach zugkräftigen Filmen, die den angeschlagenen Kinos wieder Zuschauer und damit Umsätze bescheren können, zeigt gerade einmal mehr, was in Deutschland in zahlenmäßiger Breite fehlt: gut erzählte und aufgrund attraktiver, unverwechselbarer Geschichten entsprechend marktfähige Filme, die neben internationalen Blockbustern das heimische Publikum auch unter besonderen Bedingungen ins Kino locken können.

Vor Beginn der Pandemie wurde die wachsende Bedeutung der Streamer noch als vorübergehendes, disruptives Marktereignis von der Branche kleingeredet. Aktuell wird aufgrund höherer Gewalt der Covid19-Pandemie erschreckend deutlich, auf wie vielen Ebenen das Kino gegenüber den Streamern in Nachteil zu geraten droht: in Kundenansprache und Kundenbindung, im Marketing, in der Preisbildung und vor allem in der filmischen und erzählerischen  Qualität der angebotenen Produktionen.

Streaming-Plattformen sind dabei nicht nur Konkurrenz, sondern in der Krise für nicht wenige Kinofilme wohl letzte Chance auf Umsätze für Verleih, Vertrieb, Produzenten sowie bei Kürzung von Sperrfristen auch der Kinowirtschaft.

Für AutorInnen sind Streamer inzwischen wichtige Anlaufstellen für ihre ambitionierten Projekte. Und die Streamer erhöhen kontinuierlich ihr Produktionsvolumen in Deutschland.

Streaming kann aber das Kino nicht ersetzen.

Wir brauchen eine starke Kinokultur mit Leuchtturmfunktion für den Film – und mit entsprechender Attraktivität gerade auch für diejenigen, die dem deutschen Kino zu mehr erzählerischer Qualität verhelfen können: die Drehbuchautorinnen und -autoren. Und diese Attraktivität brauchen wir schon heute!

Das „neue Fernsehen“ hat die AutorInnen als Hauptschöpfer seiner publikumswirksamen Serien entdeckt, das „neue Kino“ muss sie wieder entdecken. Um gegen die Konkurrenz eines 24/7 sendenden Fernsehens zu bestehen, das sich selbst neu erfunden hat, braucht es also AutorInnen, die mit Begeisterung genuine Kinostoffe recherchieren, finden, schreiben. Sie ideell und finanziell zu unterstützen über den relativ langen Zeitraum, den die Entwicklung eines ausgereiften Kinodrehbuchs braucht, bedarf es ganz neuer Fokussierung auf den Bereich Stoffentwicklung.

Um die Attraktivität des Schreibens für das Kino zu steigern, hatten wir die im Folgenden stichwortartig aufgeführten Maßnahmen bereits in unserer Stellungnahme vom Dezember 2019 der BKM vorgeschlagen:

 

1)            Vom guten Buch zum erfolgreichen Film: Der VDD empfiehlt eine konsequente Stärkung der

               Entwicklungsförderung

 

  • Trial & Error-Kultur implementieren
  • Zweistufen-Drehbuchförderung stärken und weiterentwickeln
  • Einführung eines Coaching- und Consulting-Systems
  • Anhebung der Stoffentwicklung im Etatansatz der FFA

 

2)            Mehr Bindung und Anreize für professionelle Autoren und Nachwuchs

 

  • Beteiligung der kreativen Urheber eines Films an der Referenzfilmförderung
  • Erleichterter Zugang zur Förderung, Gleichwertigkeit von Drehbuch und Regie

 

3)            Chancen verbessern für zeitgemäßes Erzählen: Geschlechtergerechtigkeit und Diversität

 

Im Übrigen verweisen wir auf die ausführliche Darstellung der Maßnahmen auf unsere vorhergehende Stellungnahme, die unter dem Titel „Star des deutschen Films ist das gelungene Drehbuch“ auf auf unserer Website einzusehen ist.

 

Die deutsche Filmbranche befindet sich nicht nur in einer akuten, sondern auch in einer bereits länger laufenden Krise. Zu ihrer Behebung braucht es ein stärkeres Zusammenrücken der Akteure, eine offene, auf tatsächliche Verbesserung ausgerichtete Branchendiskussion über die Zukunft des Deutschen Kinofilms und es braucht Veränderung in der Gesetzgebung.

 

 

Wir hielten es daher für geboten, noch einmal von Gesetzgeberseite zu prüfen, welche der von uns und auch von anderer Seite vorgeschlagenen Maßnahmen schon jetzt Eingang ins FFG finden könnten, ohne die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grenzen im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zu überfordern bzw. zu prüfen, wie kurzfristig eine umfassende Novellierung des FFG angeschoben werden kann.

 

Sebastian Andrae

Geschäftsführender Vorstand des VDD

Mitglied des Verwaltungsrats und Vorsitzender des Ausschusses für Innovation und Strukturfragen  (AIS) der FFA

(ehem. Mitglied des FFA-Präsidiums sowie der Vergabe- und der Drehbuchkommission)

 

Kontakt:

Jan Herchenröder

Geschäftsführung VDD

Den Text finden Sie auch als PDF im Anhang.

Weitergehende Informationen sowie denaktuellen Referentenentwurf und weitere Stellungnahmen finden Sie auf der Website der BKM.