19. November 2020
 

Urheberrecht fair und modern ausgestalten. Stellungnahme der Urheber im Bereich Film zum Referentenentwurf des BMJV

Autor: VDD

Referentenentwurf des BMJV zur Reform des Urheberrechts -  Gemeinsame Stellungnahme der Urheber im Bereich Film  

Die unterzeichnenden Verbände bedanken sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referenten-Entwurf und für die Annahme vieler Überlegungen zum Disk-E.

Die unterzeichnenden Verbände möchten an dieser Stelle für die Anmerkungen zum Referenten-Entwurf klarstellen, dass für sie der aus der europäischen Gesetzgebung kommende erweiterte Anspruch auf Auskunft sowie die stärkere Durchsetzbarkeit der angemessenen Vergütung von zentraler Bedeutung sind.

Entsprechend finde Sie im Folgende Ausführungen speziell zu den Themen

 

  1. Auskunftsanspruch und Angemessenheit
  2. Direktvergütungsanspruch I OCSSP
  3. Direktvergütungsanspruch II VOD-Plattformen
  4. Aufhebung der Beschränkungen für Filmwerke §88,89 UrhG

 

Im Übrigen verwiesen wir auf die Stellungnahmen der Verwertungsgesellschaften, Gewerkschaften und Berufsverbände im Bereich Film zum Direktvergütungsanspruch, sowie die Stellungnahme der Initiative Urheberecht zum Ref-E, der wir uns ausdrücklich anschließen.

 

I. Auskunftsanspruch und Angemessenheit

 

Fest steht: ohne proaktive und transparente Auskunft – auch entlang der Lizenzketten - gibt es keine angemessene Vergütung.

 

Öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, SVOD-Anbietern, Kinobetreibern, Filmverleihern und Produzenten ist eines gleich: Ihre Akzeptanz bzw. ihr wirtschaftlicher Erfolg ist abhängig von der kreativen Leistung der Urheber. Ein funktionierendes wirtschaftliches Ökosystem im Bereich Film und Fernsehen muss schon allein daher auf Ausgleich setzen und hierbei besonders auch die Position der wirtschaftlich Schwächeren im Blick haben.

 

Transparenz ist möglich und EU-rechtlich zwingend!

 

ARD, ZDF und die Privatsender und mit ihnen die Produzenten und Verwerter behaupten, den seitens des europäischen Gesetzgebers geforderten, erweiterten Anspruch auf Auskunft nicht umsetzen zu können. Angeblich wegen zu hoher administrativer Aufwände.

 

Es würde den Sendern, Verwertern und Filmunternehmen in Deutschland gut zu Gesicht stehen, wenn sie ihren seit Jahren betriebenen massiven Aufwand zu Verhinderung von Auskünften endlich positiv zur technisch möglichen und kosteneffektiven Lösung der Auskunftserteilung umwidmen würden, um damit auch ihren eignen Innovationsansprüchen gerecht zu werden.

 

Denn es wird zweierlei aus den Augen verloren: die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung, die inzwischen auch die Häuser ARD und ZDF für sich entdeckt haben, sowie die grundsätzliche - wieder in den Ref-E aufgenommene - Möglichkeit, Auskunftsansprüche in GVR oder Tarifverträgen branchenbezogen auszugestalten.

 

Der Zusammenhang von Auskunft und Vergütung ist evident

 

Während Programme gerade online immer unübersichtlicher weiterlizenziert werden – und auf diese Weise Erlöse  generieren – stehen die Urheber bislang ohne Kenntnis der Verwertungserfolge mit leeren Händen da!

 

Was im TV-Bereich angeblich unmöglich ist - Erlöse auf den unterschiedlichen Verwertungsstufen zu erfassen und transparent zu machen - wird im Hörfunk seit Jahrzehnten praktiziert.

 

Wir fordern den Gesetzgeber auf, sich der kollektiven Verweigerungshaltung der Sender und Verwerter entgegenzustellen und sich für eine längst überfällige Stärkung der Auskunftsansprüche – anlasslos und ohne Schranken - sowie eine Modernisierung der Auskunftserteilung einzusetzen.

 

II. Direktvergütungsanspruch Online I.

 

Direktvergütungsansprüche führen zu Transparenz und angemessener Vergütung im Online-Bereich.

 

Ein Instrument zur besseren Durchsetzbarkeit von Vergütungsansprüchen bei Online-Nutzungen ist sind Direktvergütungsansprüche, die sich direkt gegen die nutzende Plattformen richten. Der Gesetzgeber hat im UrhDaG Ref-E dafür wesentliche Grundlagen geschaffen. Denn der gewaltige technische Transformationsprozess in Richtung Online-Nutzungen stellt die Urheber vor ein Dilemma:

 

Es gibt bis heute keine einzige akzeptable Regelung in Tarifverträgen oder Gemeinsamen Vergütungsregeln, die der massiven Expansion an Bereitstellung und Nutzung von Programmen im Internet gerecht wird.

 

Das Angstszenario der Verwerterseite, dass Urhebern durch einen Direktvergütungsanspruch eine „Doppelvergütung“ zuteil wird, ist haarsträubend, wenn man auf die bislang weitgehend auf Null stehenden oder marginalen Vergütungen im Online-Bereich schaut.

 

Direktvergütungsansprüche sind marktneutral und folgen der Fließrichtung der EU-Gesetzgebung. Sie können dazu eine substanzielle Lösung für die Herausforderungen des Auskunftsanspruchs sein.

 

Andere europäische Länder haben seit Jahrzehnten rechtliche Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Direktvergütungsansprüche haben sich in Deutschland bereits bei der Videovermietung und der Kabelweitersendung bewährt. Sie richten sich allein an die finalen Verwerter. Gerade dadurch würde sichergestellt, dass die Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen auch im Bereich Online die Chance erhalten, eine angemessene, nutzungsabhängige Vergütung zu erhalten.

 

III. Direktvergütungsansprüche ONLINE II

 

Nichts schützt Urheber besser als Direktvergütungsansprüche

 

Alle Berufsverbände, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen im Bereich Film- und Fernsehen rufen daher den deutschen Gesetzgeber dazu auf, im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zusätzlich zu dem geplanten Direktvergütungsanspruch für OCSSP-Nutzungen einen Direktvergütungsanspruch auch für Lizenz-Nutzungen auf Video on Demand Plattformen (VOD-Plattformen) nach dem Vorbild § 27 UrhG Verleih und Vermietung) einzuführen.

 

Seit auf dem deutschen VOD Markt die Angebote internationaler und nationaler Player expandieren, stellt sich die Frage, inwieweit diese Angebote den Anforderungen des continantal-europäischen Rechts genügen. Die Antwort ist einfach, sie genügen ihm nicht, denn Erlösbeteiligungen sind nicht vorgesehen oder kommen bei den Urhebern nicht an. Das, was der europäische Gesetzgeber 1997 für Videoverwertungen richtig erkannt hat, braucht eine Entsprechung in 2020 für Online

 

Der Vergütungsanspruch ist verwertungsgesellschaftspflichtig auszugestalten. Auf ihn können die Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen nicht verzichten. Er kann im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden und nur durch eine solche geltend gemacht werden.

 

Will der Gesetzgeber nicht nur den Anspruch auf Angemessenheit der Vergütung formulieren, sondern auch seine Durchsetzung sicherstellen, muss er auch in diesem Bereich aktiv handeln.

 

Es muss an dieser Stelle jedem klar sein, dass insbesondere der gewaltige technische Transformationsprozess der marktbeherrschenden Giganten in Online-Plattformen die Urheber vor das Dilemma stellt, dass – wie bereits oben ausgeführt - es weder in Tarifverträgen noch gemeinsamen Vergütungsregeln für Urheber akzeptable Regelungen gibt.

 

Die Urheber im Bereich Film dringen deshalb in diesem für die deutsche Film- und Fernsehwirtschaft wichtigsten Zukunftsbereich nachdrücklich auf die Hlfe des Gesetzgebers.

 

Wir verweisen für weitere Ausführungen an dieser Stelle auf die Stellungnahmen der Verwertungsgesellschaften, Gewerkschaften und Berufsverbände im Bereich Film, sowie die Stellungnahme der Initiative Urheberecht zum Ref-E.

 

IV. Aufhebung der beschränkungen für filmwerke in §§ 88,89 UrhG

 

Die Bereichsausnahmen für Film im  deutschen Urheberrechtsgesetz ergeben bereits jetzt zusammengenommen ein Urheberecht zweiter Klasse.

 

Leider hat der Referentenentwurf die Vorschläge der unterzeichnenden Verbände zur Korrektur der besonderen Bestimmungen für Film (§§ 88, 89, 90 ff UrhG) nicht berücksichtigt (siehe Stellungsnahme der Verbände Urheber beim Film zum Disk-E vom Juli 2020). Diese Bestimmungen schränken die Rechte der Urheber im Bereich Film erheblich  ein.

 

Insbesondere wird den Urhebern Film verwehrt, ihre Rechte wirksam auf eine Verwertungsgesellschaft zu übertragen. Von der Regelung, dass pauschale Vergütungen nach 10 Jahren zu überprüfen sind (§ 40a UrhG), sind sie – wie von vielen weiteren wichtigen Regelungen – ausgeschlossen (s.u.).

 

Ausschlüsse für Urheber im Bereich Film: s. Grafik im vollständigen PM-Text im Anhang

 

Wenn jetzt, wie ARD und ZDF oder auch vaunet vorschlagen, weitere Bereichsausnahmen z.B. eine Beschränkung der Auskunftspflicht (in § 32d und e UrhG-E) oder auch gründsätzlich pauschalen Vergütungen (§ 32 UrhG-E, Absatz 2 Satz 3 [neu]) für die Filmbranche durch die Reform zugelassen werden, dann muss man endgütlig von einem Zwei-Klassen-Urheberrecht sprechen, das einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Die Stellungnahmen der ö.r. Sender wirken insofern befremdlich in ihrer regelrecht urheberfeindlichen Haltung.

 

Die Lösung kann nur sein, dass Filmurhebern die gleichen Rechte zugestanden werden wie allen anderen Urhebern und die bestehenden Beschränkungen vor allem in § 90 UrhG aufgehoben oder zumindest stark zurückgenommen werden.

 

Darum möchten die unterzeichnenden Verbände vorschlagen, die naheliegende Möglichkeit zu eröffnen, die in § 90 UrhG vorgenommenen Ausschlüssen den Verhandlungen von Tarifvertragen und gemeinsamen Vergütungsregeln zu überlassen (s. auch Seite 8 und 9.). Diese Möglichkeit ist bereits in den meisten der betroffenen Regelungen implementiert. Es gibt keinen Grund, warum sie den Filmurhebern weiter verschlossen bleiben sollten.

 

Nicht zuletzt erinnern die unterzeichnenden Organisationen an die Schutzfunktionen des Urheberrechts für die Urheber/innen. Der rasante technische Wandel – zudem in Zeiten einer verheerenden Pandemie –  hat auch in der Medienbranche Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Zu den eindeutigen Gewinnern gehören alle verwertenden Teilnehmer der Branche, soweit sie digitale Dienste anbieten. Zu den Verlierer*innen gehören vor allem Diejenigen, die an der Entwicklung- und Herstellung der Film- und Fernsehproduktionen beteiligt sind, allen voran die Urheber/innen, die keine feste Anstellung und somit keine fortlaufenden Einkünfte haben. 

 

Es ist Zeit an den hier bezeichneten Stellen korrigierend einzugreifen, denn es ist zentrales Anliegen des Urheberrechts, eine angemessene Vergütung der Urheber für die Nutzung ihrer Werke sicherzustellen (§ 11 Satz 2 UrhG), um die Durchsetzung ihres Anspruchs auf Angemessenheit der Vergütung auch zu verwirklichen.

 

Gerade auch unter den Bedingungen der aktuellen Pandemie wird überdeutlich, wie prekär die Situation der Urheber in Deutschland ist und wie wichtig daher ein starkes Urheberrechtsgesetz im Sinne der EU-Vorgaben ist.

 

Wir würden es begrüßen, wenn die aktuelle Urheberreform dazu genutzt würde, einen fairen Ausgleich der Interessen zu erreichen - auch für die deutschen Urheber im Bereich Film und Fernsehen – und das bedeutet proaktive und starke Auskunftsrechte, die Etablierung der Direktvergütungsansprüche und Beseitigung der Bereichsausnahmen für Film.

 

Berlin, den 6.11.2020

 

Bundesverband Regie BVR

Verband Deutscher Drehbuchautoren VDD

Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm AGDOK

 

Bundesverband Kinematographie BVK

Bundesverband Filmschnitt BFS

Verband der Szenen- und Kostümbildner VSK

 

Den vollständigen Text der Stellungnahme finden Sie im Anhang.