15. Mai 2023
 

Der Vorstand des Deutschen Drehbuchverbands zum „Fall Til Schweiger“ und seinen Konsequenzen

Autor: VDD

Nach den „Spiegel“-Enthüllungen zum Fehlverhalten des Regisseurs Til Schweiger diskutiert die Branche intensiv über die Gründe für Machtmissbrauch und unerträgliche – und mitunter lebensgefährliche – Zustände an deutschen Filmsets. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang häufig auf die katastrophalen Bedingungen, unter denen Filme hierzulande realisiert werden müssen, und auf den Erfolgsdruck, der bedenkliche Verhaltensauffälligkeiten geradezu zwangsläufig provoziere.

 

Der Vorstand des Deutschen Drehbuchverbands unterstützt die in diesem Zusammenhang erhobenen Forderungen nach besseren Bedingungen zur Herstellung von Filmen, möchte aber auch klarstellen, dass es für grobes Fehlverhalten und Machtmissbrauch keine Entschuldigungen gibt.

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Weder miese Drehbedingungen noch die Angst vor Misserfolgen rechtfertigen Umgangsformen, die Mitarbeiter*innen schaden oder sie persönlich herabsetzen. Es darf nicht sein, dass die auch in der Filmbranche überfällige Diskussion über Machtmissbrauch zu einer Debatte über strukturelle und finanzielle Defizite verniedlicht wird. 

 

Klare Kante, rauer Umgangston und nicht diskutierbare Entscheidungsbefugnisse sind mitunter unumgänglich, wenn es darum geht, einen Drehtag unter schwierigen Bedingungen zu stemmen. Dass manche Protagonist*innen diese Voraussetzungen als Freischein für Willkür und grobe Regelverstöße interpretieren, ist schlimm genug. Viel schlimmer jedoch ist die Tatsache, dass dieses Fehlverhalten von den Auftrag gebenden Produktionsfirmen und beteiligten Partnern (wie zum Beispiel auch Sendern) geduldet und gedeckt wird. 

 

Die Firmen opfern auf diese Weise das Wohl zahlreicher Mitarbeiter*innen der mutmaßlichen Aussicht auf Erfolg und Profite, und Regelverstöße werden unter diesen Bedingungen zum Normalfall erklärt, argumentativ gerne noch aufgehübscht mit dem Mythos vom mutmaßlich exzentrischen Genie, das Kunst überhaupt erst möglich mache (und damit eben auch Arbeitsplätze schaffe).

 

Nicht minder skandalös als das skandalöse Verhalten einzelner Filmset-Potentat*innen ist deshalb auch die Tatsache, dass im Prozess der Filmherstellung vielerorts eine Kultur des Wegschauens und verordneten Schweigens vorherrscht, eine Kultur, die es Tätern leicht und Opfern schwer macht. Hinweise auf eklatantes Fehlverhalten wurden auch im Fall Til Schweiger viel zu lange ignoriert, solange, bis die Betroffenen keinen anderen Ausweg mehr sahen, als sich an Journalist*innen zu wenden. 

 

Das ist seitens der verantwortlichen Produktionsfirmen nicht nur verantwortungslos und schäbig gegenüber den eigenen Mitarbeiter*innen, sondern auch gegenüber Täter*innen, denen man – auch um sie vor sich selbst zu schützen! – schon sehr viel früher ihre Grenzen hätte aufzeigen müssen.

 

Auch viele von uns Drehbuchautor*innen haben die Erfahrung respektlosen und übergriffigen Verhaltens gegenüber unserer Person und/oder Arbeit gemacht. Um sich gegen Herabwürdigungen zu wehren, setzen wir auf die drei Bausteine Solidarisierung, Sensibilisierung und ein verbindliches Regelwerk für das gemeinsame Arbeiten. Aus diesem Geist ist „Kontrakt 18“ entstanden, in diesem Geist agiert auch der Deutsche Drehbuchverband: Als Netzwerk von Autor*innen, die sich angstfrei über Fehlentwicklungen in der Branche austauschen und informieren können, als Organisation, die diese Missstände öffentlich macht und ihre Kreativpartner*innen in Produktion und Sendern für das Thema Wertschätzung zu sensibilisieren versucht, und als Interessenvertretung, die für Standards kämpft, die Respektlosigkeiten und Grenzüberschreitungen einen Riegel vorschieben und sanktionieren.

 

Auch wenn wir als Autor*innen nicht unmittelbar den Attacken am Set ausgesetzt sind, kennen wir doch leider zu genau den respektlosen und übergriffigen Umgang mit uns und unserer Arbeit. Auch der Gerichtsprozess, den unser Mitglied Anika Decker gegen Til Schweiger führen musste, um eine angemessene Bezahlung für ihre Arbeit zu erreichen, ist Ausdruck dieses Missstandes.

 

Aber Solidarität hört für uns nicht an der Drehbuchkante auf. Wenn es darum geht, für eine Arbeitskultur zu kämpfen, die toxische Verhaltensweisen nicht duldet, stehen wir als DDV an der Seite unserer Partner*innen aus allen Departements. Für ein kreatives und konstruktives Miteinander, gegen jedwede Form von Herabwürdigungen und Machtmissbrauch.