18. Juli 2023
 

Von wahren Urhebern, Credit-Parasiten und dem Fluch der Verjährung

Autor: VDD

Drehbuchautorin Anika Decker gegen Warner Deutschland und Til Schweigers Barefoot Films

 

Dritte Runde im Prozess unserer couragierten Kollegin Anika Decker gegen Warner Brothers und Til Schweigers Produktionsfirma Barefoot Films. Bei der Verhandlung in Berlin ging es in der vorletzten Woche einmal mehr um die Frage, ob Anika Deckers Drehbuch-Honorare für die Kino-Hits „Keinohrhasen“ (2007) und „Zweiohrküken“ (2009) in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu den millionenschweren Gewinnen stehen, die die beiden Blockbuster an den Kinokassen und bei der weiteren Vermarktung eingespielt haben.

 

Die Schlussfolgerungen, die der Vorsitzende Richter Dominik Reith gezogen hat, sind vor allem eine Absage an notorische Credit-Parasiten: Film-Beteiligte also, die glauben, dass sie sich mit ein paar launigen Sprüchen oder Vorschlägen, die sie in Drehbuchbesprechungen abfeuern, bereits relevante urheberrechtliche Meriten und einen Co-Autor*innen-Status verdienen.  Til Schweiger hatte eigenen Angaben zufolge ein paar lustige Schwänke aus seinem bewegten Männer-Leben und einen Witz seiner Tochter in die Bucharbeit eingespeist und durfte sich für diesen hochkreativen Input in den Vor- und Nachspännen der Filme sowie in den flankierenden Presseveröffentlichungen neben Anika Decker als Co-Autor präsentieren. Weil ihm diese schöpferische Fiftyfifty-Verteilung aus gutem Grund nicht einleuchten wollte, kochte Richter Reith den urheberrechtlichen Til-Anteil auf – immer noch kulante – 10 Prozent ein.

 

Auch eine Klausel, in der Anika Decker vor einigen Jahren als Gegenleistung für weitere Ausschüttungen und einen First Look-Deal auf sämtliche Folgevergütungen verzichtet hatte, wurden vom Vorsitzenden Richter für unwirksam erklärt: Man könne nicht im Vorfeld auf Ansprüche verzichten, die man zum Zeitpunkt der Unterschrift noch gar nicht kenne.

 

Einziger Wermutstropfen in diesem durchaus historischen Prozess: Die Verjährung von Ansprüchen wegen unterlassener Klage der Urheberin. Im Klartext: Wer als Autor*in auch nur den Verdacht hat, an einem Kassenhit beteiligt und nicht angemessen bezahlt worden zu sein, muss innerhalb von drei Jahren zumindest auf Auskunft zu den Gewinnen klagen. Falls sie oder er nicht den Mut hat, einen Auftraggeber (u. U. eben auch einen Weltkonzern) entsprechend herauszufordern, verjähren die Ansprüche auf angemessene Beteiligung.

 

Eine ziemlich krude Logik, die diejenigen, die als Schöpfer*innen fundamental für den wirtschaftlichen Erfolg eines Films mitverantwortlich sind, auf den mühsamen Marsch durch die Instanzen schickt, um berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Und damit eine schlechte Nachricht für Kolleg*innnen, die länger zurückliegende Projekte auf nachträgliche Vergütungsansprüche hin überprüfen wollen. Schwierig ist dies vor allem bei Longsellern, also Filmen, die über einen Zeitraum von vielen Jahren – oft Jahrzehnten! – vermarktet werden. Sollen die jeweiligen Autor*innen da etwa vorsorglich Klage einreichen? Wie soll das gehen?

 

Immerhin: Da die Produktionsfirmen nunmehr gesetzlich verpflichtet sind, jährlich Auskunft über die Einnahmen zu geben, die sie mit einem Film erzielen, müssen Autor*innen diese Informationen nicht mehr einklagen. Das gilt allerdings nur für Filme, die ab 2008 entstanden sind – und auch nur, wenn die betreffenden Produktionsfirmen auch wirklich ausreichende und zufriedenstellende Informationen zur Verfügung stellen. Unaufgefordert nachgekommen ist dieser Verpflichtung im Übrigen bisher noch keine Produktionsfirma.

Wir werden daher allen DDV-Mitgliedern ein Formblatt an die Hand geben, mit dem sie diese Auskünfte einfordern können.

 

Vom Berliner Gericht wurden Anika Decker lediglich 180.000 Euro Nachvergütung zugesprochen, aus Erlösen, die seit 2015 noch nicht verjährt waren. Die Summe entspricht vier Prozent der circa 4, 5 Millionen Euro an Gewinnen, die die beiden Filme erzielt haben. Wären Anikas Ansprüche nicht verjährt, stünde ihr wohl eine siebenstellige Nachvergütung zu. Ob die Parteien sich vergleichen oder in Berufung gehen, ist zurzeit noch offen.

 

Anika Decker sagte nach dem Urteil: „Ich habe heute einige Dinge gehört, die mich gefreut haben. Und andere nicht. Ich fühle eine Verantwortung für alle Filmschaffenden, wir müssen unsere Rechte stärken. Aber ich trage diese Klage jetzt seit fünf Jahren, und es ist finanziell nicht leicht.“

 

Sich vor Gericht mit einem Big Player zu streiten, kostet nicht nur Geld, sondern ist überdies auch psychisch enorm belastend. Im Namen der im DDV organisierten Drehbuchautor*innen bedanken wir uns deshalb aus ganzem Herzen bei Anika Decker für ihren Mut, sich gegen die Anmaßungen von Warner Deutschland und Til Schweigers Barefoot Films zur Wehr zu setzen.

 

Unser Dank gilt auch dem mutigen Kollegen Stefan Cantz, der gerade mit Constantin Film im Clinch liegt. Obwohl er der alleinige Autor des Kinohits „Manta, Manta“ (1991) war, bestreitet Constantin Film dessen exklusive Urheberschaft, offenbar, um ihn daran zu hindern, finanzielle Ansprüche zu stellen, die sich aus „Manta Manta – Zwoter Teil“ (2023) ergeben könnten. Fortsetzung dieses absurden Schauspiels folgt…

 

Liebe Anika, lieber Stefan, ihr könnt euch unserer vorbehaltlosen Solidarität und Unterstützung sicher sein!

 

Volker A. Zahn,

im Namen des DDV-Vorstands